Die ersten Klagen wegen Nebenwirkungen des Covid-Impfstoffs landen vor deutschen Gerichten
Der Impfstoffhersteller BioNTech sah sich am Montag in seinem Heimatland Deutschland mit der ersten Klage wegen angeblich unerwünschter Nebenwirkungen bei einigen Nutzern seiner Covid-Impfstoffe konfrontiert, mehr als zwei Jahre nach einer der schnellsten und umfangreichsten Impfkampagnen der Welt.
Angesichts der tödlichen Pandemie Anfang 2020, die zu Grenzschließungen und Abriegelungen führte, die Millionen von Menschen in ihren Häusern festhielten, wurde die Einführung von Covid-Impfstoffen weithin als Lebensretter gefeiert.
Doch die Impfstoffe, die in rasender Geschwindigkeit entwickelt und frühzeitig zur Anwendung zugelassen wurden, stehen nun in mehreren Ländern im Mittelpunkt von Gerichtsverfahren, darunter Frankreich und Großbritannien, wo Kläger argumentieren, dass die Impfstoffe ihrer Gesundheit schadeten.
In Deutschland war ein Gericht in Hamburg bereit, ab Montag einen Fall gegen BioNTech zu verhandeln, das zusammen mit dem US-Riesen Pfizer den ersten mRNA-Impfstoff Comirnaty produzierte.
Die Anhörung verzögerte sich jedoch, nachdem die Anwälte des Klägers in letzter Minute die Unparteilichkeit des Richters angefochten und stattdessen die Einberufung eines Richtergremiums zur Entscheidung über den Fall gefordert hatten.
In ihrer Klageschrift habe die Klägerin nach Erhalt des Impfstoffs unter anderem "Schmerzen im Oberkörper, Schwellungen der Extremitäten, Erschöpfung, Müdigkeit und Schlafstörungen" angegeben, so das Gericht.
Sie fordert 150.000 Euro Schadensersatz und die Anerkennung, dass der "Beklagte verpflichtet ist, materiellen Schadenersatz zu leisten", fügte das Gericht hinzu.
Ihr Anwalt Thomas Ulbrich, der auch weitere 250 Menschen in ähnlichen Fällen vertritt, sagte, seine Mandanten seien "alle gesund", bevor sie angeblich nach den Impfungen Symptome zeigten.
Er glaubt, dass die ihm vorliegenden Krankenakten einen Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Symptomen seiner Klienten herstellen.
Der mRNA-Impfstoff von BioNTech, ein wissenschaftlicher Durchbruch, hatte bereits am 21. Dezember 2020 von der EU-Zulassungsbehörde EMA eine bedingte Marktzulassung erhalten.
Eine ähnliche Genehmigung für Moderna, einen weiteren Hersteller von mRNA-Impfstoffen, folgte schnell.
Da die Angst vor einer Ansteckung mit der Krankheit groß war, bestellten die Regierungen die Impfstoffe bereits während der Entwicklungsphase vor und wurden rasch eingesetzt, nachdem die Aufsichtsbehörden ihre Genehmigung erteilt hatten.
Doch die neue Generation von Impfungen löste auch eine Welle von Impfskeptikern aus, die die Sicherheit der Impfungen in Frage stellten.
Von 192 Millionen in Deutschland verabreichten Impfungen wurden nach Angaben der deutschen Arzneimittelbehörde, dem Paul-Ehrlich-Institut, 338.857 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet, darunter 54.879 schwere Reaktionen.
Bei den schlimmsten Fällen "sind die Symptome sehr unterschiedlich, sie reichen von Schlaganfall über Thrombose bis hin zu Herzerkrankungen", sagte ein anderer deutscher Anwalt, Joachim Caesar-Preller, der 140 Mandanten vertritt, die ähnliche Ansprüche geltend machen.
Er verlangt bis zu einer Million Euro Schadensersatz pro Fall – zuzüglich Zinsen –, räumt aber ein, dass ihm in den Rechtsstreitigkeiten ein "steiniger und langer Weg" bevorstehe.
Eine zentrale Frage für die Gerichte ist, ob die Nebenwirkungen des Medikaments bei korrekter Anwendung "ein nach ärztlichen Erkenntnissen vertretbares Maß" überschreiten.
Mit anderen Worten: Die Auswirkungen müssen schwerwiegend genug sein, um berücksichtigt zu werden, sagte Anatol Dutta, Professor an der Universität München.
Eine Klägerin namens Kathrin K., 45, glaubt, dass ihre Symptome schwerwiegend genug seien.
Sie sagte, sie habe nach der Impfung stark an Gewicht verloren und sich mehreren Darmoperationen unterziehen müssen.
"Ich hasse es, wenn mir Leute sagen, dass ich ein Einzelfall bin", sagte sie. "Ich bin nicht."
Um die Frage der Kausalität zu klären, müssten die Gerichte wahrscheinlich Expertenrat einholen.
Neben dem Rechtsweg können sich Antragsteller auch an den Staat wenden, um eine Entschädigung für den Einkommensausfall zu verlangen.
Laut deutschen Medien wurden bis April mehr als 8.000 solcher Anträge gestellt, rund fünf Prozent waren bislang erfolgreich.
BioNTech teilte AFP mit, dass die Anzahl der Haftungsansprüche gegenüber dem Unternehmen im Vergleich zu der Anzahl der weltweit gelieferten Dosen sehr gering sei und dass jeder Anspruch einzeln geprüft werden müsse.
"Berechtigte Haftungsansprüche würden von BioNTech selbstverständlich erfüllt", hieß es, fügte jedoch hinzu, dass "kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den vorgelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Impfung mit Comirnaty nachgewiesen" sei, und zwar in den bisher geprüften Fällen.
Eine andere Rechtsanwältin, Anja Dornhoff, rät ihren Mandanten, eine Chronologie zu erstellen und die Entwicklung ihrer Symptome durch Ärzte dokumentieren zu lassen.
"Ich hoffe, dass Menschen mit Nachimpfungssyndromen ernst genommen werden können", sagte sie.
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