Europa setzt auf Geothermie als Gasalternative
Das Heizwerk im südlichen Münchner Stadtteil Sendling wird seit mehr als einem Jahrhundert mit Gas betrieben, das oft von weit her importiert wird.
Aber zunehmend ist es das heiße Wasser aus dem tiefen Untergrund der Station, das die Energie liefert.
An der Seite der ursprünglichen Anlage aus rotem Backstein aus dem 19. Jahrhundert befindet sich eine kastenförmige neue geothermische Einheit, die von einem Gewirr von Rohren umgeben ist.
Die Arbeiten an der neuen Anlage begannen 2016 und wurden 2021 eröffnet, bevor Russland seinen Angriff auf die Ukraine startete und die Pipelines nach Europa schloss.
Doch die rechtzeitige Eröffnung des modernen Blocks – einer der größten seiner Art in Europa – ist ein glücklicher Zufall für die Stadt, die wie der Rest des Landes vor der Herausforderung steht, die verlorenen russischen Gaslieferungen nachzuholen.
München schüttet bis 2035 eine Milliarde Euro (1,1 Milliarden US-Dollar) aus, um die Geothermie auszubauen und die Heizung der Stadt CO2-neutral zu machen.
"Wir sitzen auf einer Goldmine", sagt Christian Peltl, Leiter Geothermie beim SWR, dem Betreiber der Anlage in Sendling.
"München hat die perfekte geologische Lage" in einer Region, die für ihre Thermen bekannt ist, sagt Peltl.
Überall in Europa ist das Interesse an Geothermieprojekten in den letzten Jahren gewachsen, da Beamte nach Wegen suchen, ihre Energiesysteme zu dekarbonisieren.
Der Konflikt in der Ukraine hat den Trend verstärkt. Die Invasion Moskaus im vergangenen Jahr brachte die russischen Gaslieferungen nach Europa zum Stillstand und löste einen alarmierenden Anstieg der Energiekosten in ganz Europa aus.
Nach einem berauschenden Höhepunkt sind die Preise am Spotmarkt in den letzten Wochen gefallen. Aber die Krise hat die Verwundbarkeit des Kontinents im Energiebereich deutlich gemacht.
Zuverlässige und nachhaltige Erdwärme scheint die perfekte Alternative zu Gas zu sein.
Brüllend heißes Thermalwasser wird aus drei Kilometern Tiefe nach oben gepumpt. Die Wärme wird in das lokale Netz übertragen, das die umliegenden Häuser mit der Anlage verbindet, während das gekühlte Thermalwasser zurück in den Untergrund geleitet wird.
"Seit Beginn der (Energie-)Krise gab es einen regelrechten Auftragsboom", sagt Peltl.
Ende 2022 veröffentlichte die Bundesregierung einen Plan, die Produktion von Geothermie bis 2030 auf 10 Terawattstunden (TWh) zu verzehnfachen.
Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, will Deutschland, das zu 50 Prozent mit Gas heizt, "mindestens 100 neue Geothermieprojekte" starten.
Auf der anderen Seite der Grenze in Frankreich veröffentlichte die Regierung am Donnerstag einen Plan, um die Zahl der Tiefengeothermie-Projekte bis 2030 um 40 Prozent zu erhöhen.
In Ungarn erließ die Regierung im Oktober einen Erlass zum Ausbau der Nutzung des Energieträgers.
Auch die italienische Regierung bereitet sich darauf vor, den Ausbau zu unterstützen, während in Dänemark im Jahr 2030 in Aarhus die größte Anlage des Landes eröffnet wird, die 20 Prozent der Wärme der Stadt liefert.
Nach Vollbetrieb wird die neue Anlage in München über ein weitläufiges Leitungsnetz bis zu 80.000 Haushalte mit Wärme versorgen können.
Die Station ist weitgehend automatisiert, wobei ihr Betrieb von einem Raum im älteren Teil des Gebäudes aus gesteuert wird.
Geothermie ist zwar ein Segen für diejenigen, die darauf zugreifen können, "sie ist aber nur ein Teil der Lösung", sagt Thomas Gilg, Leiter des Münchner Werks.
Nicht überall ist Erdwärme geeignet. Vor allem muss die unter der Oberfläche gewonnene Energie lokal genutzt werden.
"Wir dürfen uns nichts vormachen. Mit dieser Anlage können wir nicht ganz München beliefern", sagt Gilg.
Aushubarbeiten zur Installation einer Anlage in Straßburg, Frankreich, wurden für zwei kleinere Erdbeben verantwortlich gemacht, die Ende 2020 in der Region zu spüren waren.
Dennoch sehen die Sendlinger Anlagenbetreiber das Potenzial "massiv", so Peltl.
Geothermie könnte laut EU-Kommission "bis zu 25 Prozent" der EU-Bürger kohlenstofffrei heizen.
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